„Einmal Hoeschianer, immer Hoeschianer“ – das dachte Peter Gall, als er in den frühen 80er Jahren seine Ausbildung bei der traditionsreichen Hoesch Stahl AG begann. Niemand konnte und wollte sich damals vorstellen, welche weitreichenden Folgen die europaweite Strukturkrise für die gesamte Stahlindustrie und die Mitarbeiter haben würde. 1991 beschäftigte der Hoesch-Konzern noch über 52.000 Mitarbeiter und machte fast 13 Mrd. D-Mark Umsatz. Ein Fünftel der in Lohn und Brot stehenden Dortmunder Bevölkerung arbeitete damals bei Hoesch. Einer von ihnen: Peter Gall, der nach seiner Ausbildung auf der Westfalenhütte auch seine berufliche Zukunft dort sah. Doch es kam anders.
Peter Gall, 52, ist Dortmunder durch und durch. Seine persönliche Geschichte spiegelt die Geschichte einer ganzen Region wider. Anfang der 80er Jahre begann er seine Ausbildung zum Energieanlagenelektroniker bei der Hoesch Stahl AG, die über Jahrzehnte der Inbegriff der Dortmunder Montanindustrie war. Sie war aufgeteilt in die drei Werke: Union, Phoenix und Westfalenhütte. Die Westfalenhütte mit einem Areal von 450 Hektar blickt auf eine über 160-jährige Tradition als Standort der Schwerindustrie im Ruhrgebiet zurück. Am Zenit des deutschen Wirtschaftswunders waren allein auf der Westfalenhütte rund 25.000 Mitarbeiter beschäftigt. Auch Peter Gall arbeitete nach seiner Ausbildung in den wärmetechnischen Betrieben auf der Westfalenhütte. Als ‚Hoeschianer‘ war er fest mit dem Standort verbunden. Den Niedergang der Stahlindustrie, die in Deutschland vor allem das Ruhrgebiet und das Saarland betraf, erlebte er schmerzlich mit. Die Hochöfen, die Sinteranlage und das Warmbreitbandwalzwerk der Westfalenhütte wurden Anfang der 90er Jahre stillgelegt und 2001 an ein chinesisches Stahlunternehmen verkauft. Auch die neue Kokerei Kaiserstuhl, die kurz zuvor noch als „Garant für den Stahlstandort Dortmund“ gefeiert worden war, wurde in zigtausend Einzelteile zerlegt und trat so den Weg nach China an. Der Einbruch der Stahlindustrie kostete viele Menschen ihren Arbeitsplatz.
Jahrzehnte des Wandels
Schon früh erkannte Peter Gall die Vorzeichen dieser Entwicklung. Er ergriff die Initiative und sah sich nach einem anderen Job um. Die Karstadt Warenhaus AG suchte damals einen Energieanlagenelektroniker in Unna/Königsborn. Peter bekam die Stelle und kam dort zum ersten Mal mit einem Warenverteilzentrum in Berührung. Sein Verantwortungsschwerpunkt war die Instandhaltung. Im Laufe der Jahre stieg er zum Senior Teamleiter auf. 2005 wurde die Karstadt Warenhaus AG durch einen Überleitungsvertrag zur DHL Solutions Retail GmbH. „Die Aufbruchsstimmung war groß. Alle dachten ‚Jetzt geht’s richtig los mit dem Warenverteilzentrum, aber die Drittgeschäfte liefen nicht“. Peter erlebte ein Déjà-vu. Er bewies erneut ein gutes Gespür und begann 2010 seine Arbeit als Technischer Objektmanager bei HOCHTIEF in Essen. „Ich hatte eine tolle Aufgabe und betreute die Liegenschaften von Köln bis Münster. Doch noch in meiner Probezeit gab es Übernahmegerüchte eines spanischen Unternehmens. Also stand für mich wieder ein Wechsel an, diesmal zur Kaufland-Logistik, bei der ich als Abteilungsleiter Haustechnik arbeitete“.
Neue Hoffnung im Revier
Im Jahr 2015 startete Peter schließlich seine Karriere bei Amazon in Werne. Dort verantwortete er ein noch größeres Aufgabengebiet und Gelände. Schon früh bekam er mit, dass Amazon ein weiteres hochmodernes Logistikzentrum in Dortmund auf dem ehemaligen Gelände der Westfalenhütte eröffnen würde. Für Peter stand fest: „Da will ich dabei sein!“ Als sich die Gerüchte bestätigten, bewarb er sich sofort intern am neuen Standort. Das neue Logistikzentrum befindet sich ganz in der Nähe seines Wohnorts. Peters Wunsch ging in Erfüllung: Als Abteilungsleiter Instandhaltung ist er heute mit einem Team von 35 Leuten für die gesamte Fördertechnik und neue Roboteranlagen des neuen Umverteilungszentrums verantwortlich. Wo früher die Stahlöfen eins der größten Stahlwerke Europas brannten, steht heute eins der modernsten und größten Umverteilungszentren von Amazon in Europa. Über 1.500 Mitarbeiter arbeiten hier auf einer Fläche von 50.000 Quadratmetern. Das entspricht einer Größe von 7 Fußballfeldern.
Zurück zu den Wurzeln
Peter sagt: „Hier gehöre ich hin. Hoeschianer zu sein war etwas Besonderes. Und auch Amazonier zu sein empfinde ich als etwas ganz Besonderes. Die herausscheinende Parallele ist das Zusammengehörigkeitsgefühl, der Teamspirit. Man steht füreinander ein und arbeitet jeden Tag gemeinsam daran, die Technik am Laufen zu halten und immer weiter zu entwickeln“. Ob die Außenbeleuchtung auf dem Parkplatz, die Tore, Hebebühnen und Ampelanlagen im Lager oder die große Fördertechnikanlage mit einer Länge von 13 Kilometern und hochmoderne Roboter, die die Menschen bei der Arbeit unterstützen – in seiner Funktion ist Peter mitverantwortlich für die gesamte Technik des neuen Umverteilungszentrums. Das Besondere an einem Umverteilungszentrum ist, dass die Ware nicht direkt an die Kunden geliefert wird, sondern an über 25 Logistikzentren in ganz Europa. Von diesen aus gehen die Bestellungen dann raus an die Kunden.
„Ich bin wieder zurückgekommen auf die Westfalenhütte und habe hier, bei Amazon, mein neues Zuhause gefunden."
3.000 neue Arbeitsplätze bei Amazon in Werne und Dortmund
Insgesamt schuf Amazon in Nordrhein-Westfalen rund 6.500 Arbeitsplätze. Lars Krause ist seit Oktober 2017 für den Amazon Logistikstandort Dortmund verantwortlich. Der studierte Diplom-Wirtschaftsingenieur ist sich sicher: „Die neuen Arbeitsplätze helfen der Umgebung sehr. Zuverlässigkeit und langfristige Perspektiven, das fehlte hier viele Jahre.“
Für Peter schließt sich nun der Kreis: „Jeder Wechsel hat meinen Horizont erweitert, ich habe Menschen unterschiedlichster Natur und Nationalität kennen gelernt und mich in jedem Job weiterentwickelt. Dennoch war es immer mein größter Wunsch, langfristig wieder zurück zu meinen Wurzeln zu finden und dort, wo ich mit meinem Beruf angefangen habe, bis zur Rente zu bleiben. Jetzt bei Amazon bin ich sehr optimistisch, dass das klappen wird.“