2017 schloss Amazon sich der Cyber Valley-Initiative in Tübingen an, einem Forschungsverbund auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, zu dem neben anderen Partnern aus der Industrie auch das Max-Planck-Institut und die Universitäten Tübingen und Stuttgart gehören. Rund 25 Amazon Mitarbeiter forschen seitdem in der Universitätsstadt im Neckartal. Im Laufe der nächsten Jahre sollen es 100 sein, die in einem neuen, modernen Gebäude unterkommen sollen. Wir haben mit dem Standortleiter Michael Hirsch über aktuelle Entwicklungen und Zukunftspläne gesprochen – und auch um eine Klarstellung gebeten.
Von außen lässt sich nicht sofort erkennen, dass hier ein internationales Forscherteam dabei ist, Herausforderungen der Künstlichen Intelligenz zu lösen. An der unscheinbaren Häuserfassade gibt nur ein kleines Schild Aufschluss darüber, dass sich hier das Büro von Amazon befindet. Ein paar Räume, teilweise im Souterrain gelegen, in denen rund 25 Mitarbeiter arbeiten. „Dieser Standort ist nur eine Übergangslösung“, sagt Michael Hirsch. „Amazon möchte in Tübingen bleiben und wachsen. Die Stadt hat sich mit dem Cyber Valley in den letzten Jahren zu einem herausragenden Standort für Künstliche Intelligenz entwickelt. Für uns ist das ein ideales Ökosystem, um Spitzenforschung zu betreiben.“
Ein attraktiver Arbeitsplatz für Spitzenforscher aus aller Welt
Anfang des Jahres stellte Amazon seine Pläne vor, ein noch zu bauendes Gebäude im Technologiepark Obere Viehweide zu mieten. Das Konzept nach einem Entwurf der Stuttgarter Architekten Bodamer-Faber, das Amazon gemeinsam mit dem Gestaltungsbeirat der Stadt und dem Bauträger Reisch GmbH aus Ravensburg entworfen hat, macht Lust auf das zukünftige Arbeiten bei Amazon in Tübingen, findet Michael: „Ich glaube, in Zukunft werden wir auch wegen der Büroräume gerne zur Arbeit kommen. Da ist zum einen der großartige Blick auf die Schwäbische Alb. Zum anderen wird großer Wert auf eine ökologische Bauweise gelegt, es werden natürliche und umweltfreundliche Materialien für den Rohbau und die Innenausstattung verwendet. Es wird eine E-Bike-Ladestation geben, und auf dem Dach sollen nicht nur Solarpanels stehen, dort soll sich auch ein Bienenvolk ansiedeln“, erzählt er.
Besonders wichtig war es allen Beteiligten, einen öffentlichen Bereich zu integrieren. Hier soll es neben einem öffentlichen Café auch einen allgemein zugänglichen Co-Working-Bereich geben, der sowohl den Amazon Mitarbeitern als auch Studenten der anliegenden Universität Tübingen sowie Start-Up-Gründern und Geschäftsleuten der umliegenden Firmen als moderner Arbeitsplatz und Treffpunkt zur Verfügung stehen wird. „Wir möchten mit diesem Arbeitsumfeld Spitzenforscher aus aller Welt anziehen und die Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz weiter fördern“, sagt Michael.
Die Vorbereitungen sind also in vollem Gange. Wann kann es denn nun losgehen mit dem Bau? Und was sagt das Unternehmen dazu, dass manch einer unzufrieden über Amazons geplante Ansiedlung ist?
Michael, wann dürfen die Mitarbeiter aus ihrem Interimsbüro aus- und in das neue Gebäude einziehen, und welche Schritte sind im Vorfeld noch notwendig? Erkläre doch bitte mal die Zusammenarbeit zwischen der Stadt Tübingen, der Baufirma Reisch und Amazon.
Michael: Vertreter des Baubürgermeisteramts, der Baufirma Reisch und Amazon sind im Gespräch, um die Pläne final zu prüfen und zu sichten. Im nächsten Schritt muss der Bauantrag von Reisch bei der Stadt eingereicht und das Grundstück von der Stadt an die Firma Reisch verkauft werden. Der Gemeinderat wird im Herbst 2019 über die Grundstücksvergabe entscheiden. Sofern Reisch von der Stadt eine Baugenehmigung erhält, kann der Bau Ende 2019 beginnen. Die Fertigstellung ist im Sommer 2021 geplant.
Die Stadt hat viele eigene Vorstellungen in die Planung des Neubaus mit eingebracht, wie den öffentlichen Bereich und die ökologische Gestaltung, die sich mit unseren Wünschen wunderbar decken und ergänzen. Mit der Firma Reisch GmbH haben wir im Zuge einer öffentlichen Ausschreibung durch die Stadt eine regionale Baufirma gefunden, die alles so umsetzen kann, wie die Stadt Tübingen und wir uns das vorstellen. Reisch wird das Gebäude nicht nur bauen, sondern gleichzeitig auch der Grundstücks- und Gebäudeeigentümer sein, von dem Amazon das Gebäude mieten wird.
Nicht alle freuen sich über Amazons Ansiedlung. Manche behaupten, Amazon und andere Cyber Valley-Partner würden in Tübingen militärische Forschung unterstützen.
Michael: Die Vorwürfe, Amazon würde in Tübingen militärische Forschung unterstützen oder im Auftrag des Militärs arbeiten, sind falsch. Doch wir nehmen die Bedenken der Bürger sehr ernst und stellen uns einer sachlichen Diskussion, beispielsweise in Podiumsdiskussionen und Seminaren der Universität. Auch im Gemeinderat wurde Amazons Ansiedlung bereits diskutiert. Einem Antrag der Grünen folgend, will der Gemeinderat das Baugrundstück nur verkaufen, wenn sich der Forschungsverbund Cyber Valley einen Ethik-Kodex beziehungsweise eine Zivilklausel auferlegt. Amazon unterstützt diese Forderung nach einer Selbstverpflichtung, nur für zivile Zwecke zu forschen, vollumfänglich. Auch bei anderen Anliegen der Tübinger, die uns betreffen, sind wir an einem konstruktiven Dialog interessiert.