Inklusion am Arbeitsplatz: Im Amazon Logistikzentrum Werne ist das gelebter Berufsalltag. Kürzlich stellte der Standort die erste blinde Mitarbeiterin ein. Christine Osterkemper arbeitet als Telefonistin. Vier Schritte zu Inklusion.
1. Motivation
Über 1.000 Bewerbungen hatte Christine verschickt und nur Absagen erhalten. Däumchen drehen ist aber nicht ihre Sache. Also absolvierte die selbstbewusste junge Frau ein Praktikum im Bundestag. Sie unterstützt den Behindertenbeirat der Stadt Werne und organisiert den örtlichen Rolli Basket Verein.
Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Was behindert Arbeit“ lernt sie Bernd Kollmer, Vertrauensmann bei Amazon Werne, kennen. „Ich war sehr beeindruckt von Christine“, sagt er. „Ein Mensch, der niemals aufgibt. Sie hat so eine positive lebensfrohe Ausstrahlung und viel Humor. Sie verabschiedet sich oft mit ‚Wir sehen uns‘.“ Bei Amazon bewarb sich Christine als Telefonistin und überzeugte auf ganzer Linie.
2. Offenheit
„Die Arbeit mit Kollegen mit Einschränkung ist für uns eine Bereicherung und wir stellen fest, dass die Inklusion behinderter Kollegen das Team-Gefühl ungemein stärkt“, sagt Amazons Inklusionsbeauftragte Pinar Cebir. Beim Bau der neuen Hallen in Werne wurde großer Wert auf Barrierefreiheit gelegt. „Wir fragen nicht, ob die Einstellung einer blinden Mitarbeiterin kompliziert ist. Wir fragen, wie wir einen passenden Arbeitsplatz für sie umsetzen können“ sagt Bernd Kollmer.
Im Team wurde Christine herzlich aufgenommen: „Ich bin überwältigt von dem menschlichen Miteinander hier“, sagt sie. „Teamwork ist das A und O. Wenn einer was nicht schafft, schafft es der andere. Die Kollegen fragen mich ganz offen, wobei mich die verschiedenen Hilfsmittel unterstützen. Das Motto lautet: Man lernt nie aus und wir lernen nur zusammen und voneinander.“
3. Maßgeschneiderter Arbeitsplatz
Taktile Bodenfließen, Rillenplatten und Aufmerksamkeitsfelder – Noppen auf dem Boden –helfen Christine bei der Orientierung und führen sie sicher zu ihrem Arbeitsplatz, in die Kantine oder zur Bushaltestelle. In den ersten Tagen übte Christine ihre Wege mit einer Mobilitätstrainerin. Die Fußgängerampeln wurden mit einem akustischen Signal nachgerüstet. Um die Lieferzeit für den Signalgeber zu überbrücken, organisierte die Security einen Lotsendienst. Im Falle einer Evakuierung übernehmen die Kollegen. Es gibt Paten für Christine, die sie im Notfall zum Sammelpunkt bringen.
Von der Stempeluhr bis zum Besteckkasten in der Kantine ist alles entweder mit Brailleschrift oder mit Tastpunkten versehen. In der Kranken-Hotline arbeitet Christine mit einem speziellen Headset und einer Screenreader-Software, die extra installiert wurde. Sie nimmt Krankmeldungen an, vereinbart Termine – alles, was sie am PC festhält, liest ihr das Programm eins zu eins vor. „Im Officebereich bieten sich noch viel mehr Möglichkeiten, blinde Mitarbeiter zu integrieren“, sagt Personalleiter Andreas Tecl.
4. Starke Partner
Ob die Vorrichtungen ausreichend barrierefrei sind, wurde bereits vor Christines Einstellung von den Fachdiensten für blinde und sehbehinderte Menschen geprüft. Michael Große-Drenkpohl vom LWL-Integrationsamt Westfalen und Holger Ross vom Integrationsfachdienst Münster schätzen das Engagement. „Einen solchen Arbeitsplatz einzurichten, ist technisch sehr komplex. Amazons Bereitschaft dazu ist etwas Besonderes“, sagt Holger Ross.
Ein wichtiger Partner ist auch die Agentur für Arbeit Kamen, die Christines Arbeitshilfsmittel zur Verfügung stellte: „Über die Jahre entwickelte sich eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung in Person von Bernd Kollmer“, sagt Siegfried Schiemann, Arbeitsvermittler für schwerbehinderte Menschen. „Amazon ist hier vorbildlich und geht mit gutem Beispiel voran.“