„Mittlerweile seh‘ ich Corona wirklich als Chance. Es hat total viele Digitalisierungsprozesse in Gang gesetzt und wir haben in dem Bereich so viel geschafft seit letztem Jahr, wie wir sonst wohl in 3 Jahren nicht geschafft hätten“, erzählt Julia Ritter zuversichtlich. Die junge Geschäftsfrau steht in ihrem Ladenlokal im Kölner Süden. Dass Julia dem Lockdown inzwischen auch etwas Positives abgewinnen kann, ist nicht selbstverständlich. Täglich schlendern in der Einkaufsstraße normalerweise Menschen an ihrem Schaufenster vorbei, kommen rein und schauen sich um.
Der Umsatz aus dem Ladenlokal fehlt
Doch wie bei so vielen Einzelhändlern ist auch bei „desiary“ seit Wochen die Tür zu und die Designerstücke in Julias Laden lassen sich nur vom Schaufenster aus begutachten: Handgemachte Kissen, Lederschalen, Vasen, natürliche Kerzen – Julia Ritter hat ein Händchen für die Auswahl besonderer Accessoires für Wohnungseinrichtung und Geschenkideen. Nachhaltig und von ausgewählten Manufakturen bezieht sie ihre Produkte, die Gemütlichkeit ausstrahlen. „Gerade der Dezember und der Januar sind für uns sehr umsatzstarke Monate“, erzählt die gelernte Innenarchitektin. „Der Umsatz aus der Zeit, wahrscheinlich auch der Februarumsatz, fehlen uns sehr. Das ist bitter.“
„Ein Tipp ist, auf Amazon seine Bestseller einzustellen. Man soll sich nicht überfordert fühlen, weil man meint, in kurzer Zeit alle Produkte online stellen zu müssen. Also lieber die Artikel raussuchen, die gut funktionieren und für diese eine gute Produktvorstellung machen."
Wir liefern auch online!
Während sie dies erzählt, schlendert eine Frau mittleren Alters am Ladenlokal vorbei. Ihre Brille ist durch das Tragen der Maske etwas beschlagen. Sie bleibt kurz stehen, schaut sich die Auslage im Schaufenster an und geht weiter. „Wir liefern“, liest sie in großen Lettern im Schaufenster – darunter der Verweis auf den Verkauf im Internet.
„Wir sind heilfroh, dass wir schon vor einigen Jahren in das Online-Geschäft eingestiegen sind“, erklärt Julia. Das helfe ihr jetzt enorm.
Julia Ritter verkauft ihre Waren mit ihrem Team über ihre Website, aber auch über Onlinehändler wie Amazon. „Wir sind jetzt sehr gut aufgestellt, wachsen online stetig weiter und können den fehlenden Umsatz gut abfangen.“
Online schon gut aufgestellt
Julia Ritter hatte sich damals ins Zeug gelegt und sich ihren Weg in die Welt des Online-Verkaufs erarbeitet. Vor zwei Jahren gewann sie mit ihrem Unternehmen dann bei „Unternehmerinnen der Zukunft“, eine Initiative, die unter anderem von Amazon unterstützt wird. Die Trainings und die Unterstützung, die sie erhalten hat, gaben den letzten Anschub, so dass Julia heute nicht nur erfolgreich in mehrere Länder exportiert, sondern inzwischen auch mit ihrer Eigenmarke „adorist“ Trends im internationalen Designgeschäft setzt.
Die Erfahrung weitergeben
Dass sie diese Unterstützung erhalten hat, hat die Ladenbesitzerin nicht vergessen und möchte jetzt selbst helfen. Ihre Expertise, die sie sich im Laufe der Jahre auf dem Gebiet des Online-Marktes erarbeitet hat, gibt sie weiter. Inzwischen macht sie ihre digitale Infrastruktur mit Schnittstellen zu amazon, otto, douglas rewe und anderen, auch für andere Händler:innen und Hersteller zugänglich, die schnell neuen Umsatz erwirtschaften wollen. Außerdem berät Julia als Mentorin und Coach andere Händler:innen, die den Sprung vom stationären Handel in die Online-Welt schaffen möchten.
Natürlich läuft das derzeit per Videochat. Im hinteren Teil ihres Ladens klappt Julia ihren Laptop auf und ruft Anastasiya Koshcheeva an, die mit ihrer Marke MOYA Birch Bark Möbel und Designerstücke aus Birkenrinde verkauft. Julia analysiert mit der jungen Unternehmerin deren aktuelle Positionierung, hilft ihr beim Aufbau ihres Amazon-Shops und unterstützt bei der Optimierung ihrer Marketing-Strategie.
Kostenloser Crash-Kurs im Online-Handel
Genau zu dem Thema doziert die 41-Jährige auch als Coach in einem Video-Kurs für kleine und mittelständische Unternehmen, die Unterstützung bei der Digitalisierung suchen. Auf dem Wissensportal Quickstart Online, das vom Handelsverband HDE, der ProBono-Initiative Händler helfen Händlern und Amazon gestartet wurde, gibt sie strukturierte Informationen zum Online Marketing. Dies ist eine von vielen Lektionen, die auf dem Portal kostenlos zur Verfügung stehen: Vertriebskanäle, Prozesse, Kundenmanagement, Logistik, Preisgestaltung, Internationalisierung – zu allen Bereichen des E-Commerce finden Händler:innen umfangreiches Wissen. Wer den Schritt in den Online-Handel gehen möchte, für den gibt es hier das Basis Wissen – ein Crash-Kurs, der jederzeit und frei zugänglich für alle Interessierten zur Verfügung steht.
Einen Tipp verrät Julia direkt: „Wer als Ladenbesitzer schnell online einsteigen möchte, sollte schauen, welche Produkte im Laden gut laufen.“ Die Bestseller kann man dann z.B. bei Amazon einstellen und dafür sorgen, dass diese auch gut präsentiert werden. „Man sollte sich nicht den Druck machen, sofort alle Waren online anbieten zu müssen. Lieber weniger, und die dafür gut.“